Forsterit als Produkt der Chrysotil-Verbrennung. Photo A. Gauer, Ostschweizer Fachhochschule

Entsorgung von Asbest in der KVA: Eine umweltfreundliche Alternative?

Wie entsorgt man Asbest-Abfälle am besten? Gemäss einer Studie der Ostschweizer Fachhochschule stellt die Verbrennung von organisch gebundenen Asbest-Abfällen in einer normalen Kehrichtverbrennungsanlage eine interessante Alternative zur Deponierung dar.

Viele Gebäude, besonders solche aus den 70er Jahren, enthalten asbesthaltige Materialien. Wenn diese Gebäude heute um- oder zurückgebaut werden, müssen diese krebserregenden Materialien fachgerecht saniert werden. Die dabei anfallenden Abfälle werden in der Regel in einer entsprechenden Deponie abgelagert. Da diese Abfälle oft mit organischem Material verbunden sind, ist eine solche Ablagerung nicht unproblematisch. Auch kann es sein, dass solche Deponien in Zukunft wieder ausgehoben werden müssen.

Aus diesen Gründen gibt es verschiedene Forschungsprojekte, um Alternativen für die Deponierung zu finden.

Die Ostschweizer Fachhochschule hat im Auftrag des Verbands der Betreiber Schweizerischer Abfallverwertungsanlagen VBSA, der Konferenz der Vorsteher der Umweltschutzämter der Schweiz KVU sowie des Bundesamtes für Umwelt BAFU untersucht, ob die Entsorgung von Asbest-Abfällen in üblichen Kehrichtverbrennungsanlagen eine Alternative zur Deponierung sein könnte. Die vollständige Studie ist auf der Webseite des Bundesamtes für Umwelt BAFU verfügbar.

Andreas Gauer ist einer der Autoren der Studie. Wir durften ihm einige Fragen stellen.

Andreas Gauer, Sie haben untersucht, was mit asbesthaltigen Abfällen in der Kehrichtverbrennung passiert. Wie kam es zu dieser Untersuchung?

Brennbare asbesthaltige Abfälle werden aktuell in Deponien E abgelagert. Das Einbringen von brennbaren Materialien in Deponien ist aber nicht immer sinnvoll, vor allem, wenn die Abfälle viel organisches Material enthalten. Zudem ist der Deponieraum knapp und der eingebrachte Asbest könnte allfällige spätere Deponiesanierungen behindern. Den Ausgangspunkt für unsere Studie waren die Ergebnisse eines Grossversuches des BAFU zur Erprobung der Entsorgung von brennbaren Asbestabfällen in der KVA Trimmis GR im Jahr 2017. Damals konnten in den Verbrennungsrückständen, also in der Flugasche, dem Rauchgas und der Schlacke, keine Asbestfasern nachgewiesen werden. Daraufhin wurde gemutmasst, dass die Fasern entweder thermisch oder durch sehr aggressive Gase im Ofen zerstört wurden.

Das Ziel der Studie AsbEx war es, den Verbleib von Asbestfasern unter KVA-Bedingungen zu beleuchten und den beobachteten "Asbestschwund" in der KVA Trimmis zu erklären.

Bevor wir zu den Resultaten kommen: Asbest gilt in der Regel als feuerfest. Also eigentlich sollte dem Asbest in der Kehrichtverbrennung doch gar nichts passieren. Ist das nicht so?

Die mineralischen Asbestfasern sind in der Tat bis zu hohen Temperaturen feuerfest, aber nur zeitlich beschränkt. Bei Chrysotil-Asbest wird oberhalb von ca. 700°C das Kristallwasser aus den Mineralfasern ausgetrieben und die Kristallstruktur beginnt sich umzuwandeln. Über Zwischenprodukte wandelt sich Chrysotil, das weitaus meistverwendete Asbestmineral, in das Mineral Forsterit um, und je höher die Temperatur und je länger die Expositionsdauer, desto weiter schreitet diese Umwandlung fort. Chrysotilfasern sehen nach der Umwandlung zu Forsterit unter dem Mikroskop kaum verändert aus, sie sind aber sehr spröde und zerfallen bei leichter mechanischer Beanspruchung. Forsterit wird deshalb in der Literatur als nicht gesundheitsgefährdend beschrieben.

Können Sie zusammenfassen, wie Sie bei dieser Untersuchung vorgegangen sind?

Zuerst fanden Versuche im Labor statt, um das Verhalten des Asbests unter kontrollierten, semi-realistischen Bedingungen zu untersuchen. Wir starteten mit Versuchen im Muffelofen, in dem wir Proben von ungebundenen Chrysotilfasern auf Temperaturen zwischen 500 und 1000°C erhitzten. Hierbei kamen auch unterschiedliche chemische Zusätze (z.B. Chloride), wie sie auch im Abfall zu finden sind, zum Einsatz. Danach haben wir Proben von Chrysotil-Dichtschnur und chrysotilhaltigem Cushion-Vinyl- Boden zusammen mit KVA-Schlacke in unserem Labor-Drehrohrofen erhitzt. Mit dieser Vorrichtung liess sich das "Schürverhalten", also die Umwälzung des Materials auf einem KVA-Ofenrost, simulieren.

Auf die Laborversuche folgten die Feldversuche unter realistischen Bedingungen an einer produzierenden KVA. Wir haben Stücke von asbesthaltigem Bodenbelag in Stahlkäfige eingeschweisst und ganze Bahnen von Bodenbelag dicht zusammengerollt und mit Draht umwickelt ("Asbestrouladen"). Die Stahlkäfige und die Asbestrouladen wurden in den Ofen einer KVA eingeworfen. Die Käfige und allfällige Reste von Asbestrouladen wurden nach dem Austrag aus dem Ofen wieder aus der Schlacke gefischt.

Und was haben die verschiedenen Versuche gezeigt?

Die Laborversuche ergaben, dass Chrysotil bei 850°C nach 15 Minuten bereits vollständig zu Forsterit umgewandelt war, der sich leicht zerreiben liess. Im Feldversuch waren die Probenmaterialen in den Stahlkäfigen nach dem Ofen vollständig ausgebrannt und die Fasern völlig umgewandelt. Die Asbestrouladen verbrannten ebenfalls weitestgehend und die gefundenen Fasern in den noch unverbrannten Kernen bestanden bis auf eine Ausnahme aus Forsterit.

Somit konnten wir den in der KVA Trimmis beobachteten Asbestschwund erklären: Der spröde Forsterit wurde teilweise schon durch die Materialumwälzung im Ofen zerkleinert. Die Schlacke fällt nach dem Ofen in ein Wasserbad und mit dem Wasserkontakt setzen Mineralneubildungen ein. In der Schlacke vorhandene Forsteritfasern wurden in die sich bildende Mineralmatrix eingebunden. Werden nun Schlackenpartikel zerkleinert, um zu untersuchen, ob sie eingebundene Asbestfasern enthalten, scheren die Fasern an den Bruchflächen der Mineralpartikel ab. Aus abgebundener Schlackenmatrix, die Forsteritfasern enthält, sind diese Fasern also durch Zerkleinerungsprozesse nicht mehr freisetzbar und folglich konnten Sie unter dem Mikroskop auch nicht gefunden werden. Und selbst wenn man sie finden könnte, wären sie ungefährlich.

Um auf diese Resultate zu kommen, mussten Sie zuerst geeignete Analyse-Verfahren entwickeln, denn sowohl mit dem Polarisationslichtmikroskop PLM wie auch unter dem REM-EDX kann man Chrysotil und Forsterit-Fasern nicht voneinander unterschieden? Wie sind Sie hier vorgegangen?

Zuerst wurde das Zerkleinerungsverhalten der Fasern nach den jeweiligen Behandlungen qualitativ durch Mörsern beurteilt. Nicht umgewandelte Chrysotilfasern sind flexibel und bei einer Reibbehandlung im Mörser nicht zerkleinerbar. Wenn die Fasern allerdings als Forsterit versprödet waren, liessen sie sich sehr einfach im Mörser zu Pulver zerreiben. Um die Umwandlung direkt mineralogisch nachzuweisen, haben wir das Material mittels Röntgendiffraktion (XRD) untersucht. Durch Abgleich des Spektrogramms mit Referenzwerten für Chrysotil und Forsterit konnten wir ermitteln, ob die untersuchten Fasern aus Forsterit oder aus Chrysotil bestanden.

Die Analyse von Asbest in geringen Konzentrationen ist nicht einfach. Können Sie etwas zur Zuverlässigkeit der Analyse der Materialien mit Röntgendiffraktion sagen?

Röntgendiffraktion hat den Vorteil, dass in einem Messdurchgang viele der in einer Probe enthaltenen Mineralien gleichzeitig bestimmt werden. Das funktioniert auch mit Bruchstücken von Fasern, ohne dass diese unter dem Mikroskop als solche erkannt würden. Zudem ist XRD hilfreich für die exakte mineralogische Bestimmung der Asbestart oder der jeweiligen Umwandlungsprodukte. Wo die kritische Asbestkonzentration für einen einwandfreien Nachweis liegt, haben wir im Rahmen dieses Projektes nicht untersucht. Wir haben Materialien mit relativ hohen Asbestgehalten gearbeitet, um klare Ergebnisse zu erhalten. Inwieweit sich XRD zur Untersuchung von Abfall-typischen Asbestkonzentrationen eignet, müsste noch ermittelt werden.

Weitere kritische Punkte sind die Temperatur und die Aufenthaltsdauer der Abfälle im Feuerraum der Kehrichtverbrennung. Können wir sicher sein, dass die notwendigen Temperaturen in konventionellen Kehrichtverbrennungsanlagen erreicht werden?

Der Abfall wird in KVA in der Regel zwischen 800 und 1100°C verbrannt und braucht für den Weg durch den Ofen ca. eine Stunde. Das reicht grundsätzlich für die weitestgehende Umwandlung der Fasern. In den Stahlkäfigen und Asbestrouladen für den Feldversuch hatten wir zusätzlich Metallstücke mit unterschiedlichen Schmelzpunkten verbaut, um die Spitzentemperatur zu ermitteln, denen die Proben ausgesetzt waren. Diese Kupferstücke waren geschmolzen, also waren die Probenmaterialien Temperaturen von mindestens 1080°C ausgesetzt, was am oberen Ende der "normalen" Temperaturprofile in KVA liegt. Durch den Abbrand der Organikmatrix, in die der Asbest eingebettet ist, wird offenbar das Probenmaterial besonders stark erhitzt.

In den Schlussfolgerungen ihrer Studie schreiben Sie: «Solange brennbare chrysotilhaltige Abfälle vereinzelt vorliegen (und nicht in Form dicker mit Stahldraht zusammengehaltener Pakete oder Rollen, gehen wir davon aus, dass eine vollständige Umwandlung des Chrysotils zu Forsterit stattfindet». Das klingt noch unsicher. Was bräuchte es, um hier eine eindeutigere Aussage machen zu können?

Unsere Studie hat nur die Grundlagen zur Erklärung des "Asbestschwundes" im Grossversuch an der KVA Trimmis nachgeliefert. Idealerweise hätte man diese Grundlagen zunächst im Labor untersucht, und hätte anschliessend Grossversuche durchgeführt (und nicht umgekehrt). Es liegt nun an den Umweltbehörden, ob diese die Ergebnisse des Grossversuchs in Trimmis zusammen mit den von uns nachgelieferten Erklärungen dazu als hinreichend akzeptieren. Nicht abschliessend geklärt ist die Frage: "Wie müssen organikgebundene Asbestabfälle punkto Stückigkeit konfektioniert sein, um einen sicheren Ausbrand zu garantieren?". Wenn die Rollen sehr gross sind, brennen sie nicht aus. So werden in der Schlacke von KVA z.T. noch unausgebrannte Teppichreste und dergleichen gefunden. Zur Beurteilung der Sinnhaftigkeit einer KVA-seitigen Entsorgung von organikgebundenem Asbest, muss auch die Alternative einbezogen werden, also das "Basisszenario" der Ablagerung auf Deponien E oder die Verbrennung als Sonderabfall. Die Vor- und Nachteile der drei potenziellen Entsorgungswege sind folgende:

  • KVA: Weitestgehende Zerstörung von Asbest (deutlich über 98%). Das Risiko, dass einzelne Stücke von unausgebranntem Material im Zuge der Schlackenaufbereitung Asbest freisetzen (Problem Arbeitsschutz).
  • Deponie E: Der gesamte Asbestabfall wird unzerstört abgelagert. Dies ist eine sichere Entsorgungsmöglichkeit, sofern der Deponieinhalt niemals mehr umgelagert werden muss (z.B. im Zuge einer Deponiesanierung).
  • Sonderabfallverbrennung: Der gesamte Asbest wird zwar zerstört, jedoch ist diese Variante exorbitant teuer.

Um die Aussageschärfe der Variante "KVA" noch weiter zu erhöhen, könnte man einen weiteren Grossversuch durchführen. Im Fokus stünden hierbei die Anforderungen an eine vorgängige Konfektionierung des Materials derart, dass dessen völliger Ausbrand im Ofen garantiert ist.

Eindeutig sind Sie hingegen in der Aussage: Wenn Chrysotil in mineralisch gebundener Form vorliegt, findet die Umwandlung zu Forsterit nur begrenzt statt. Mineralische Abfälle mit Asbest gehören also definitiv nicht in die KVA, oder?

Genau! Der Zement wirkt stark isolierend, sodass kein Ausbrand stattfindet und die Umwandlung der Asbestfasern nicht im direkten Kontakt mit der Flamme, sondern allein durch die Wärmeleitung in der Mineralmatrix geschieht. Wir haben einige orientierende Versuche mit Spritzasbest gemacht und schon bei dünnen Schichten war die Asbestzerstörung sehr stark gehemmt.

Sie machen auch eine vorsichtige Aussage zu Amphibol-Asbesten. Sie schreiben insbesondere: «Wahrscheinlich werden auch die selten angetroffenen Amphibol-Asbeste unter KVA- Bedingungen umgewandelt». Diese Asbeste werden als einiges gefährlicher eingestuft. Was kann man dazu sagen?

Der Fokus der Studie lag auf Chrysotil. Da Amphibol-Asbeste in Summe nur einen sehr geringen Anteil des einsetzten Asbests ausmachen, wurden sie in diesem Forschungsprojekt nicht prioritär untersucht. Wegen der Seltenheit von Amphibolasbest in Abfällen, war es sehr schwierig, überhaut Probenmaterial zu beschaffen. Die Amphibolasbeste wandeln sich über mehrere Stufen in mineralische Fasern wie Quarz oder Hämatit um. Die Umwandlungstemperaturen liegen in der Regel etwas höher als bei Chrysotil, jedoch immer noch im KVA-typischen Bereich. In unseren Tastversuchen waren die Fasern ab 850°C ebenfalls spröde und im XRD waren die Amphibol-spezifischen Signale nicht mehr erkennbar. Allerdings konnten wir die Umwandlungsprodukte nicht eindeutig nachweisen. Unser Fazit dazu: bei Einhaltung der branchenüblichen Arbeitsschutzmassnahmen besteht nach unserer Einschätzung keine signifikante zusätzliche Gefährdung durch diese Umwandlungsprodukte.

Werden Sie selber noch weiter an diesem Thema arbeiten?

Die Diskussionen dazu, welches in Zukunft die zu bevorzugende Entsorgungsart  für asbesthaltigen Abfällen mit hohem organischen Anteil sein sollen, laufen noch, auch bei den Behörden. Parallel dazu erarbeitet der Verband der Betreiber Schweizer Abfallverwertungsanlagen VBSA einen Leitfaden für die KVA, der detailliert beschreibt, welche Abfallarten angenommen werden können und wie diese Abfälle möglichst sicher gehandhabt und verbrannt werden. Wir wirken in dieser Fachgruppe mit und beobachten die weitere Entwicklung natürlich mit Interesse.

 

Zur Person: Andi Gauer ist Umweltnaturwissenschaftler ETHZ mit Spezialisierung auf Biogeochemie und Schadstoffdynamik. Heute arbeitet er als wissenschaftlicher Mitarbeiter am UMTEC, dem Institut für Umwelt- und Verfahrenstechnik der Ostschweizer Fachhochschule in Rapperswil.

Das Interview geführt hat Simon Schneebeli, Leiter der Fachkonferenz PolluConf.